KARL GERSTNER
STRENG KLARER
System und Programm als Entwurfsprinzip
Die Arbeiten des Grafik-Designers und Künstlers Karl Gerstner (1930–2017) sind von einer strengen, funktionalen und systematisierten Arbeitsweise geprägt. Ihnen liegen systematische Ordnungsprinzipien zugrunde und sie basieren auf einer detaillierten Analyse des Ausgangsproblems. Mit seiner Publikation »Programme entwerfen« veröffentlicht Gerstner 1963 eine Übersicht interdisziplinärer Lösungen, die mit Hilfe programmatischer Prozesse generiert wurden. Neben eigenen grafischen und künstlerischen Arbeiten zeigt er auch programmatische Methoden aus den Bereichen der Fotografie, der Architektur, der Musik oder der Literatur.
Für die Entwicklung seiner Entwurfsprogramme überführt Gerstner die Parameter des Ausgangsproblems in eine systematische Ordnung. Aus der Ordnung des Systems lassen sich Lösungsansätze programmatisch, also nach definierten Regeln erzeugen. Das Bestreben Gerstners war die Erweiterung kreativer Potentiale durch Programmatik: Im Optimalfall werden kreative Potentiale aufgedeckt, da programmatisch erzeugte Lösungen außerhalb gewohnter Denkstrukturen liegen können. Im Entwurfsprozess weist Gerstner dem Gestalter die Rolle des Analysten und des Kurators zu, das Programm hingegen wird Schöpfer der formellen, gestalterischen Lösungen.
Diese Verschiebung der Schöpferrolle dekonstruiert den Künstler und Gestalter als kreatives Genie und hinterfragt gängige Theorien kreativer Prozesse. Während Poincaré das kreative Denken in die vier Phasen Vorbereitung, Lösungssuche, Geistesblitz und Umsetzung unterteilt, wird bei Gerstners programmatischem Ansatz insbesondere der Moment des Geistesblitzes eliminiert. Die systematische und programmatische Gestaltung Gerstners ist damit ein Gegenentwurf zu intuitiven Entwurfsprozessen. Da die Systematisierung des Ausgangsproblems eine Bedingung für Gerstners programmatischen Prozess darstellt, ist der Inhalt der Form unterlegen und die Programmatik muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Selbstzweck zu sein. Die programmatischen Lösungen bewegen sich innerhalb des selbst definierten Regelwerks und sind stets folgerichtig. Anhand des Lebenswerks von Karl Gerstner soll die Frage untersucht werden, ob und inwieweit Programmatik als autonomes Entwurfswerkzeug dienen kann und ob sich Gestaltung pragmatisieren lässt.
Betreuung: Prof. Dr. Klaus Klemp